Sonntag, 30. März 2025

Rückbaukosten

Die aus der Förderung entfallenen Windindustrieanlagen müssen nach der Erfüllung ihres Genehmigungsziels restlos aus der Landschaft, Natur zurück gebaut werden. Dazu wird in der Genehmigungsphase ein bestimmter Betrag (ab 200.000€) bei der Bank hinterlegt. Nach 20 Jahren ist dieser Betrag jedoch längst überholt.

Die heutigen Rückbaukosten sind mit 600.000 € angegeben. Dieser Betrag wird durch eine Bürgschaft oft nur zur Hälfte hinterlegt. Bei Insolvenz des Betreibers trägt der Grundeigentümer oder sogar die Kommune das Risiko.

https://eike-klima-energie.eu/2019/04/18/teure-hinterlassenschaften-die-rueckbaukosten-von-windraedern/ 

https://eike-klima-energie.eu/2021/09/28/abrisskosten-von-windradanlagen-mehr-als-eine-halbe-million-euro/

Wohin verschwinden ausgediente, ungeförderte Windräder?

Quelle WELT 29.3.25

Deutschland will mehr und größere Windräder bauen. Dafür müssen Tausende alte Anlagen entsorgt werden. Vieles lässt sich nicht recyceln und landet auch an dubiosen Stellen in Osteuropa. Über ein schmutziges Geschäft – und wie deutsche Experten dagegen vorgehen wollen.

Manchmal, sagt Barbora Šišková, kann sie noch immer nicht glauben, was an jenem späten Winterabend passiert ist. Es war in der Nacht auf den 13. Dezember vergangenen Jahres, als elf Lkw in ihr Dorf direkt hinter der deutsch-tschechischen Grenze rollten. Auf einem Gelände direkt hinter der einzigen Bushaltestelle stoppte die Karawane und kippte ab, was sie geladen hatte: mehr als 90 Tonnen Müll. 

Und zwar nicht irgendwelchen. Unter dem Schrott waren alte Batterien, Flugzeug- und Autoteile – vor allem aber die Flügel ausrangierter Windräder. Von Anlagen, die zuvor in Deutschland abgebaut worden waren. Šišková sagt heute: „Die glaubten, das ist hier das Ende der Welt.“

Šišková ist Bürgermeisterin von Jiříkov, einer Gemeinde mit 3500 Einwohnern zwischen Wiesen und Wäldern, 90 Kilometer östlich von Dresden. Die 57-Jährige hatte damals keine Ahnung, wer hinter den Fahrten steckt, bis am 8. Januar weitere sechs Lastwagen eintrafen. Einer lud erneut seine Fracht ab, darunter ebenfalls abgeschraubte Rotorblätter. Als die Polizei die Fahrer stoppte, stellte sich heraus: Der Schrott stammte laut Frachtzettel von einer Recyclingfirma in Bayern. Illegal als herkömmlicher Plastikmüll deklariert, sollte ihn eigentlich ein tschechisches Unternehmen wiederverwerten.

Stattdessen stapeln sich die Flügel nun wie übergroße Mikadostäbe in Jiříkov und laut der tschechischen Umweltschutzorganisation Arnika noch an mindestens zwei anderen Orten des Landes. Bis heute. Jeden Tag, sagt Šišková, müssten sie den Anblick ertragen und um ihre Natur bangen. Glasfaserreste könnten in den Boden eindringen, ins Wasser, wirbelten bereits durch die Luft. Es sind Reste der deutschen Energiewende.

Fast die Hälfte der bestehenden Anlagen ist älter als 15 Jahre, ein gutes Viertel sogar älter als 20 Jahre. Viele von ihnen werden in den kommenden Jahren abgeschaltet. Neben technischen Gründen hat das vor allem wirtschaftliche: Das im Jahr 2000 erlassene Erneuerbare-Energien-Gesetz garantiert den Anlagenbetreibern Einspeisevergütungen – aber nur für 20 Jahre. Ohne die Bezuschussung rechnet sich jedoch der Weiterbetrieb vieler Windräder nicht mehr, Wartung und Reparatur werden mit zunehmendem Lebensalter zu teuer. 

Die Folge: Bis 2030 fallen laut Umweltbundesamt jährlich rund 20.000 Tonnen Abfälle allein aus alten Rotorblättern an – in den 2030er-Jahren könnten es bis zu 50.000 Tonnen im Jahr sein. Zum Vergleich: Derzeit liegt das jährliche Abfallaufkommen bei etwa 4000 bis 5000 Tonnen.

Wohin also damit? In den USA werden die Teile bislang schlicht auf Deponien geworfen. Hierzulande ist das verboten. Landen die Rotoren nicht auf illegalen Flächen wie in Jiříkov, dienen sie bislang als Brennstoff in der Zementherstellung. Die sogenannten glasfaserverstärkten Kunststoffe und selbst das enthaltene wertvolle Balsaholz werden einfach verfeuert.

Was offiziell als „thermische Wiederverwertung“ bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit reine Verschwendung von Rohstoffen, die alles andere als grün ist. Einige Unternehmen, darunter das oben genannte in Bayern, werben damit, die gesamte Anlage „umweltschonend zu recyceln“. Bereits vor drei Jahren warnte das Karlsruher Institut für Technologie in einem Bericht davor, Rotorblätter könnten auf „ungeeigneten Wegen entsorgt“ oder zur „Scheinverwertung exportiert“ und „im Ausland abgelagert“ werden. Die Warnungen haben sich mancherorts bewahrheitet. Um das zu verhindern, arbeiten Forscher an Verfahren, die die Wiederverwendungen einfacher und billiger machen sollen – und die wertvollen Stoffe zurückgewinnen.

Armin Varmaz ist Professor für Finanzökonomie und Experte für den Rückbau von Windkraftanlagen an der Hochschule Bremen. Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme hat er ein Handbuch herausgegeben, wie es am billigsten und einfachsten funktionieren kann, so einen oft 130 Meter großen Koloss wieder einzureißen. Bislang beschäftigte er sich zwar vor allem mit Anlagen auf dem Meer. „Das Vorgehen und die Probleme“, sagt er, „sind aber an Land etwa die gleichen.“ Auf dem Wasser, sagt er, sei alles nur „noch ein bisschen teurer und aufwendiger“.

Eigentlich, sagt Varmaz, sei der Rückbau „gar nicht so kompliziert.“ Alle Teile montiere man nach und nach ab: zuerst über der Erde Rotorblätter, Nabe, Gondel und Turm, dann im Boden das Fundament und die Kupferkabel. Zerlegt in ihre Einzelteile wird manche alte Anlage anschließend ins Ausland verkauft, etwa nach Osteuropa. Die überwiegende Mehrheit wird jedoch geschreddert. „Das meiste Material lässt sich gut wiederverwerten“, erklärt Varmaz. 

Das ist Alles darauf ausgelegt, sich nicht mehr voneinander zu trennen. Armin Varmaz, Professor für Finanzökonomie, Bremen

Zu fast zwei Dritteln bestehen die Teile aus Beton. Der lässt sich vor Ort zerkleinern und als Schotter bei Straßen und Wegen wieder einsetzen. Das andere knappe Drittel, der Stahl, kann eingeschmolzen werden. „Schwierig“, sagt er, „ist nur der letzte kleine Rest.“ Sprich, die verbliebenen zwei bis drei Prozent und weithin besonders sichtbaren Bestandteile: die Flügel.

Das Komplizierte daran: Sie sind über ihre Länge hinweg größtenteils wie ein Sandwich aufgebaut. Die äußeren Schichten bestehen aus glasfaserverstärkten Kunststoffen, der Kern aus Balsaholz. Dazu kommen Harze und Kleber. Wegen dieser Struktur können die Rotorblätter möglichst groß sein, zugleich aber stabil und leicht. „Das alles ist darauf ausgelegt, sich nicht mehr voneinander zu trennen“, sagt Varmaz. Beim Recycling muss aber genau das passieren, nur separat lassen sich die Stoffe wieder einsetzen. 

Alte durch neue Anlagen ersetzen – Repowering heißt das unter Fachleuten. Bis zu fünfmal so viel Strom liefert ein leistungsstärkeres Modell. Das hat viele Vorteile. Auf gleicher Fläche lässt sich deutlich mehr Energie erzeugen, die neue Technik macht weniger Lärm. Weniger Windräder müssen gewartet und repariert werden. Bis zu 600.000 Euro kostet es im Schnitt, eine Anlage vollständig abzubauen – Kosten, die in der Regel bei der Planung eingepreist und durch eine Bürgschaft abgesichert sind. 

Trotz des Aufwands und der Summen macht Finanzökonom Varmaz klar: „Die Windkraft ist in der Erzeugung die günstigste Energie, mit Abstand.“ Bau und Erhalt der Anlagen und selbst der Rückbau seien deutlich billiger als etwa der von Atomkraftwerken oder Kohletagebauen. Zudem brauche es keinen teuren Rohstoff wie Uran. Und dennoch bleibt das Problem mit den aussortierten Propellern.

Wie sich das lösen lässt, will Niels Ludwig herausfinden, Leiter der Abteilung für Rotorblätter am Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme in Bremerhaven. 30 gebrauchte Blätter sollen dafür auf dem Gelände eines Rotorenherstellers in etwa zehn Meter lange Stücke zerteilt, Balsaholz und Schaum entfernt werden. Die Stücke werden geschreddert, ein Teil davon in sein Bremerhavener Labor transportiert. Gemeinsam mit seinem Team möchte Ludwig testen, wie gut sich mithilfe eines thermischen Verfahrens, der Pyrolyse, die einzelnen Komponenten voneinander trennen lassen. 

Das Gemisch kommt dafür in einen speziellen Ofen, in dem sich das Harz und der Kleber auflösen. Gas und Öl entstehen, die anschließend zur Energiegewinnung und in der chemischen Industrie eingesetzt werden können. Am Ende bleibt die reine Glasfaser übrig – und eine wesentliche Hürde: Das Ganze ist viel zu teuer. Ludwig sagt: „Neue Glasfasern kosten fast nichts.“ Recycelte Fasern aus dem Labor seien dagegen „unbezahlbar“. Nur etwa halb so hoch dürften die Preise aber sein. Erst dann lohne es sich. 

Künstliche Intelligenz soll helfen

Genau daran arbeiten Ludwig und seine Kollegen aktuell. Bislang weiß man beispielsweise nicht, was im Detail in den alten Blättern überhaupt steckt, welche Art von Glasfasern, Harzen, Klebern. Nur „sortenrein“, wie es in der Branche heißt, ließen sich aber die Materialien günstig wiederverwenden. Die Forscher entwickeln daher eine Methode, die mithilfe von künstlicher Intelligenz die verschiedenen Schnipselsorten erkennt und möglichst sauber voneinander trennt. 

Ludwig sagt: „Funktioniert das Verfahren einmal, kann man das auch für andere Produkte verwenden.“ Denn von Fasern durchzogene Kunststoffe finden sich auch in Trink- und Abwasserleitungen, in Rennrädern, Autos und Flugzeugen. Je häufiger die Methode wiederum zum Einsatz kommt, desto günstiger wird sie. Laut Ludwig müsse die Politik dafür vor allem eines tun: Verbieten, dass die Flügel verbrannt werden. 

Große Hoffnungen liegen auch auf einem anderen Weg: Siemens Gamesa, die spanische Tochterfirma von Siemens Energy, hat 2021 die ersten Rotoren gebaut, die sich von Anfang an vollständig recyceln lassen. Ihr Rezept: Ein neues Kunstharz, das sich mithilfe einer milden Essigsäure auflösen lässt, sodass sich Glasfasern und Holz voneinander trennen. In neuen Anlagen werden diese Substanzen bereits eingesetzt. 20 Jahre müssen sie nun stabil sein, sich danach leicht lösen lassen. „Ob das wirklich im industriellen Maßstab wirtschaftlich funktioniert“, so Ludwig, „wird sich erst dann unter Beweis stellen.“

Der mutmaßliche Müllskandal von Jiříkov hat inzwischen hohe Wellen geschlagen. Der tschechische Umweltminister war vor Ort, bayerische Zollfahnder haben die Räume des Recyclingunternehmens in der Oberpfalz durchsucht, Verdacht auf illegale Ausfuhr von Müll. Barbora Šišková hat indes nur ein Ziel: „Das Zeug soll endlich weg.“ Bis zum 21. März lief die Frist für die verantwortliche Firma, ihre Fracht wieder abzuholen. Geschehen ist bislang: nichts.


Hintergrund:

30.405 Windräder mit einer Leistung von insgesamt 70.000 Megawatt lieferten im vergangenen Jahr fast 32 Prozent des Stroms in Deutschland – 28.766 Anlagen an Land, 1639 auf dem Meer. Im Verhältnis zu seiner Landesfläche hat Bayern nach Berlin die geringste Leistung geliefert, an der Spitze sind Schleswig-Holstein, Bremen, Brandenburg.

224 alte Anlagen wurden 2024 durch neue Anlagen ersetzt. Deren Leistung liegt nun bei insgesamt 1191 Megawatt. Bei diesem sogenannten Repowering werden in der Regel Windräder mit höheren Masten und größeren Rotorblättern eingesetzt.

14.000 Megawatt kamen 2024 von bundesweit 2400 neu zugelassenen Windrädern dazu. Das ist eine Steigerung um 85 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Trotz der vielen Genehmigungen sank die Bearbeitungs- und Bauzeit auf insgesamt 23 Monate – das ist gut zehn Prozent schneller als noch 2023.

 

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Andere Orte:

Es wird angegeben dass die Anlagengondeln für Ersatzteilbedarf in Spanien verwendet werden!

Es wird angegeben dass 11 Jahre alte Gondeln (20 Stück) an der Küste in der Niederlande neu aufgebaut werden! 

Wer es glaubt?

Petitionen

  Keine Windkraftanlagen in den Wäldern des Naturparks Eggegebirge/Teutoburger Wald https://www.openpetition.de/widget/erklaeren/keine-win...